Höxter (zir). „Wenn du das Fliegen einmal erlebt hast, wirst du für immer auf Erden wandeln, mit deinen Augen himmelwärts gerichtet. Denn dort bist du gewesen, und dort wird es dich immer wieder hinziehen.“ Leonardo da Vinci träumte schon im 15. Jahrhundert vom Fliegen. Er selbst beobachtete Vögel akribisch und hielt in einem Buch seine Analysen zu Luftströmen, Auftrieb und Flügelbewegungen fest. Später entwarf er Konzepte zu Flugmaschinen, die er selbst aber nicht testete.
Da Vinci war nicht der Einzige, der sich nach der Freiheit in der Luft sehnte. Otto Lilienthal galt als der bedeutendste Flugpionier vor den Gebrüdern Wright. Er führte über 2.000 kontrollierte Gleitflüge durch, dokumentierte seine Ergebnisse präzise und beeinflusste viele Nachfolger – darunter auch eben die Wrights. Die Gebrüder gelten aber als jene, die das Fliegen revolutionierten. Am 17. Dezember 1903 führten sie mit dem „Flyer“ in Kitty Hawk (North Carolina, USA) den ersten gesteuerten, angetriebenen und dauerhaft kontrollierten Motorflug der Geschichte durch. Von diesem Zeitpunkt an nahm die Geschichte der Flugzeuge rapide ihren Lauf. Über das 20. Jahrhundert hinweg nahmen Flugzeuge immer größere Maßstäbe an, und mit ihnen fanden sich immer mehr, die das Fliegen zur Leidenschaft machten.
Verstecktes Juwel am Räuschenberg
Das Fliegen und die Leidenschaft dahinter zeichnen auch das Grenzgebiet zwischen den Landkreisen Höxter und Holzminden aus. Am Stadtrand von Höxter gelegen befindet sich der Flugplatz Höxter-Holzminden (EDVI) am Räuschenberg. Dieser Flugplatz fand bereits vor dem Zweiten Weltkrieg seine Anfänge als Segelflugplatz und wurde eben für jenen Sport genutzt. Im Zweiten Weltkrieg selbst übernahm das nationalsozialistische Fliegerkorps den Flugplatz. Hier errichtete die „Gruppe 10 Westfalen“ eine Halle, ein Wohnhaus sowie einen Turm zur Beobachtung der Flugbewegungen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Kommunen den Flugplatz. In den siebziger Jahren erfolgte die Nutzung des Flugplatzes durch britische Pioniere für Militärübungen. Hierfür wurde unter Führung von Sergeant Major Roger Thorrington die Fläche im Rahmen großer Erdbewegungen geebnet. Die Kosten hierfür wurden zwischen den britischen Streitkräften (etwa 800.000 DM), dem Land Nordrhein-Westfalen (etwa 650.000 DM) sowie dem Kreis und der Stadt Höxter (etwa 650.000 DM) aufgeteilt.
Ab 1976 gilt der Flugplatz als „Verkehrslandeplatz der Klasse 2“, was die Nutzung von Flugzeugen mit einem Abfluggewicht von bis zu 5,7 Tonnen zulässt. Seit 1998 befand sich der Flugplatz unter Führung verschiedener Gesellschaften oder Vereine.
Der Flugplatz weist im Schnitt eine Flugbewegung von rund 9.000 auf (Start und Landung). Von Ultraleichtflugzeugen bis hin zu größeren Flugzeugen wie das dreimotorige Flugzeug „Ju-52“: Die asphaltierte 800-Meter-Bahn bietet für die gängigsten Flugzeuge genug Start- oder Landefläche. Zwei Graspisten erlauben außerdem den Start sowie die Landung abseits der Asphaltbahn, welche unter anderem für schulische Vorhaben genutzt werden. Für Gastpiloten besteht zudem die Möglichkeit, die eigene Maschine aufzutanken.
Ein Verein, der das Fliegen l(i)ebt
Seit dem 21. Februar 2010 betreibt der „Luftsport Höxter e. V.“ den Flugplatz. Waren es zur gleichzeitigen Gründung noch 45 Mitglieder, darf der Verein heute über 100 zu sich zählen. Unter ihnen befinden sich Jugendliche, Pilotinnen und Piloten, aber auch passive Mitglieder. Erster Vorsitzender des Vereins ist Dr. Nikolaus Müller, selbst Pilot, aber auch Fluglehrer mit 55 Jahren Flugerfahrung. „Die Arbeit auf dem Flugplatz findet hauptsächlich ehrenamtlich statt. Ohne sie wäre der Betrieb des Flugplatzes nicht möglich“, erklärt Müller die Wichtigkeit des Ehrenamts am Flugplatz Höxter-Holzminden. Die Arbeiten auf dem Flugplatz sind vielfältig: Im nicht allzu hohen, aber gut sichtbaren Tower sitzt in der Regel ein Vereinsmitglied, das den Flugverkehr auf dem Flugplatz abstimmt, jedoch nicht regelt. Eine Koordinierung wie bei großen Airlines, wie man sie von Flughäfen kennt, findet nicht statt – das heißt: Starts und Landungen erfolgen auf eigene Verantwortung. Ganz nebenbei wird aber auch verraten, ob das Café gerade geöffnet hat.
Das „Café am Räuschenberg“ ist nämlich ein Alleinstellungsmerkmal. Mit einer äußerst beachtlichen Panorama-Aussicht auf Landschaft und Landebahn ist das Café im Gebäude neben dem Tower perfekt in den Betrieb integriert. Nicht nur Besucherinnen und Besucher aus Höxter, Holzminden oder Umgebung genießen die Atmosphäre – nach dem ersten Vorsitzenden landen Pilotinnen und Piloten extra, um eines der selbst gemachten Kuchen zu genießen. Konditor Andreas Otto sorgt hierbei mit einer Vielfalt an Kuchen für ein besonderes Geschmackserlebnis. Unter Pilotinnen und Piloten gilt das Café als Geheimtipp – etwas, worauf jedes Vereinsmitglied stolz ist.
Ebenfalls erwähnenswert ist das eigene Museum. Unter der Leitung von Markus Rheinländer stehen in einem Hangar Flugzeuge, die es wert sind, genauer hinzuschauen. So zum Beispiel die „Fiat G.91“, ein ein-, später zweistrahliges Kampfflugzeug, das die Bundeswehr von 1960 bis 1962 flog, oder die „Dornier DO 27“, ein leichtes einmotoriges Mehrzweckflugzeug. Die „Fiat G.91“ soll zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Flugsimulator umfunktioniert werden. Abseits dessen bietet das Museum auch weitere interessante Informationen zur Fluggeschichte.
Mehr als nur Flugplatz
Der „Fliegerclub Nethegau e. V.“ betreibt auf dem Flugplatz eine eigene Flugschule. Dort können sowohl Lizenzen für Ultraleichtflugzeuge als auch für Motorflugzeuge erworben werden. Zudem bietet das Gleitschirm- und Motorflugcenter MFC Ausbildungen zum Erwerb von Lizenzen für Gleitschirme, Motordrachen, Motorschirme sowie Trikes an. Auch die Flugschule Weserbergland unter der Leitung von Iris Zweihoff ist am Flugplatz aktiv. Sie ermöglicht sowohl Rundflüge als auch die Ausbildung für das Fliegen mit Tragschraubern.
Je nach Typ müssen wie in der Fahrschule auch Theoriestunden und Praxisstunden absolviert werden. Die reichen von 60 bis 90 Stunden für Theorie und 30 bis 45 Stunden Praxis. Die Kosten belaufen sich hierbei auf etwa 6.000 Euro für aerodynamisch gesteuerte Ultraleichtflugzeuge, 9.000 Euro für einmotorige Flugzeuge mit einer Abflugmasse bis zu 2.000 Kilogramm oder 14.000 Euro für die „Privatpilotenlizenz“, die eine Abflugmasse von einmotorigen Flugzeugen über 2.000 Kilogramm ermöglicht.
„Im Gegensatz zu gewerblichen Flugschulen befinden sich die Preise bei uns unter dem Durchschnitt. Da auch die Fluglehrer ehrenamtlich arbeiten, sind die Kosten niedrig“, erklärt Müller. Vorteil beim „Fliegerclub Nethegau e. V.“ ist die Ehrlichkeit, die die Schulung begleitet. „Sollten wir mittendrin merken, dass jemand für z. B. die Fluglizenz zum einmotorigen Flugzeug nicht geeignet ist, kommunizieren wir das und finden andere Möglichkeiten, wie zum Beispiel das Erlernen des Fliegens eines Ultraleichtflugzeugs“, erklärt der erste Vorsitzende. Gewerbliche Flugschulen ziehen in dieser Hinsicht durch, was im Endeffekt zu höheren Kosten führen würde. Was aber braucht es, um Pilot zu werden? „Man muss gesund sein. Es ist möglich, auch mit Erkrankungen zu fliegen, solange diese stabil sind und behandelt werden“, erklärt Müller die Eignung. Solange keine Gefahr durch die Krankheit für sich oder andere bestehe, sehe der Fluglehrer kein Problem mit dem Pilotenwerden.
Ein Ort nicht nur für Piloten
Der Flugplatz zeichnet sich dadurch aus, dass seine Tore offen für jeden sind. „Wir wollen nicht, dass dieser Flugplatz nach außen hin wirkt, als sei er nur für Mitglieder, Piloten oder Eliten geeignet“, weist Müller darauf hin. Aus Sicherheitsgründen ist aber das Betreten des Flugplatzgeländes nur in Begleitung erlaubt. Sei es eben das „Café am Räuschenberg“ oder die Terrasse mit Blick auf den Landeplatz.
„Und wenn jemand eine Tour durch den Flugplatz wünscht, dann ist das auch möglich“, fügt Dr. Nikolaus Müller hinzu. „Hier sind wir ganz offen. Wir wollen die Bevölkerung mit einbinden und zeigen, was wir hier machen“, führt er weiter aus.
Verschiedene Veranstaltungen in der Vergangenheit boten Gelegenheiten dazu. So gab es verschiedene Konzerte in der eigenen Halle, die aber aufgrund der zunehmenden Flugzeuge nicht mehr möglich sind, sowie eine ausgiebige Feier zum 40-jährigen Jubiläum. „Wir hatten den damaligen Kommandanten Roger Thorington aus England zu Gast sowie einige seiner Gefolgsleute. Außerdem spielte eine Dudelsackband“, erinnert sich der Fluglehrer zurück.
Zehn Jahre nach der großen Feier zum 40-jährigen Bestehen steht am 21. und 22. Juni 2025 das nächste Jubiläum an: Der Flugplatz Höxter-Holzminden wird 50 Jahre alt. Dieses halbe Jahrhundert regionaler Luftfahrtgeschichte soll mit einem Festwochenende gefeiert werden, das Luftfahrtfreunde und Technikbegeisterte gleichermaßen anzieht. Geplant ist eine große Ausstellung historischer und moderner Flugzeuge – darunter die Antonov An-2, der größte einmotorige Doppeldecker der Welt, sowie die Dornier Do 27, das erste deutsche Serienflugzeug nach dem Zweiten Weltkrieg. Ergänzt wird das Programm durch eine Oldtimer-Ausstellung mit rund 60 historischen Fahrzeugen und einem vielfältigen gastronomischen Angebot. Im Sommer des nächsten Jahres soll im Rahmen des „Kinderferien(s)passes“ wieder eine Aktion für Kinder stattfinden. „Bei den letzten Aktionen durften sich die Kinder den Flugplatz anschauen oder in einem Flugzeug sitzen. Außerdem brachten wir ihnen mit Bastelaktionen das Fliegen nahe, und am Ende durften sie auch an einem Rundflug teilnehmen“, erklärt Müller.
Fliegen für jedermann
Rundflüge werden ebenfalls angeboten. Hierbei lassen sich nach Absprache die Rundflüge individuell gestalten: Ob 20 Minuten für 120 Euro, 30 Minuten für 150 Euro, 60 Minuten für 300 Euro oder das gezielte Anfliegen eines Ortes – beim Flugplatz ist alles möglich. „Es gab auch schon Flüge an die Ost- oder Nordsee. Auch das ist möglich“, erklärt Müller. „Aber auch hier in der Nähe gibt es einige Sehenswürdigkeiten, die aus der Luft nochmal anders wirken. Zum Beispiel die Atomkraftwerke in Grohnde oder Würgassen oder das Schloss in Corvey, bei dem man den wunderschönen Blick in den Innenhof erhaschen kann.“
Die Rundflüge sind auch mit Personen mit körperlicher Beeinträchtigung möglich. Insgesamt können drei Personen mitgenommen werden. Kinder unter zehn Jahren dürfen auf einem Sitz mitfliegen. So ist dann auch ein Flug mit vier Personen neben dem Piloten möglich. „Letztendlich ist das aber eine Gewichtsfrage“, fügt der Vereinsvorsitzende hinzu.
„Wer einmal echtes Flugplatz-Flair erleben und einen Blick hinter die Kulissen werfen möchte, ist bei uns jederzeit herzlich willkommen“, lädt Müller ein und lächelt. Der Flugplatz ist weit mehr als nur ein Ort des Starts und der Landung – er ist ein Treffpunkt für Flugbegeisterte, Technikfans und Neugierige, die das besondere Kribbeln in der Luft spüren wollen. Das gemütliche Café lädt zum Verweilen ein – dienstags bis samstags von 11 bis 18 Uhr, sonntags schon ab 9.30 Uhr. Nur montags gönnt es sich eine wohlverdiente Pause.
Fotos: zir