Höxter (red). Am diesjährigen UNESCO-Welterbetag wurde die ehemalige Reichsabtei Corvey einmal mehr zum lebendigen Geschichtsort. Rund 80 interessierte Gäste folgten der Einladung der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus, die sich mit zwei Sonderführungen am bundesweiten Aktionstag beteiligte. Im Mittelpunkt stand das karolingische Westwerk mit seinen farbigen Geheimnissen und das barocke Erbe der Abteikirche.
Die Führungen übernahm Standortleiterin Annika Pröbe, die die Teilnehmenden mit fundiertem Wissen, klarer Sprache und sichtbarer Begeisterung durch das UNESCO-Welterbe führte. Ihr Ziel: Geschichte nicht nur erklären, sondern erlebbar machen – mit großem Erfolg.
Ein Blick hinter die Kulissen
Mit gezieltem Scheinwerferlicht konnten die Gäste Wandmalereifragmente im Westwerk genauer betrachten und mehr über die ursprüngliche Farbgestaltung der Säulen-Kapitelle erfahren. Die Farbreste am Westportal – rot und grün – sind rund 1200 Jahre alt und stammen aus der Erbauungszeit des Westwerks um 885. Sie belegen, wie kunstvoll das Eingangsportal damals farblich inszeniert wurde.
Doch nicht nur sichtbare Überreste fesselten die Besucherinnen und Besucher: Auch der wissenschaftliche Blick auf das Unsichtbare faszinierte. So erläuterte Annika Pröbe das laufende Forschungsprojekt mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dem NRW-Ministerium und dem Erzbistum Paderborn zur Klimastabilisierung im Westwerk. Luftentfeuchter im Erdgeschoss und Johanneschor sind erste Maßnahmen zur Bewahrung des jahrhundertealten Erbes.
Geheimnisse auf der Empore
In der Emporenkirche präsentierte Pröbe u. a. die berühmte Odysseus-Szene unter der Westempore, deren christliche Umdeutung durch die Mönche ebenso Thema war wie die freigelegten Vorzeichnungen für Stuckfiguren. Diese Entdeckungen verdeutlichen die hohe künstlerische Qualität, die Corvey im 9. Jahrhundert als reichsunmittelbares Kloster ausstrahlte.
Zeitreise in den Barock
Den Abschluss bildete der Gang in die barocke Abteikirche, deren Chorraum für diese Führungen ausnahmsweise geöffnet wurde. Auch wenn dieser Teil des Kirchengebäudes nicht zum offiziellen Welterbe gehört, beeindruckte er durch seine architektonische Tiefe und seine spirituelle Ausstrahlung.
Viele Besucherinnen und Besucher äußerten sich nach dem Rundgang bewegt: „Man lernt selbst dann noch Neues, wenn man schon oft in Corvey war“, so eine Teilnehmerin. Genau das ist Annika Pröbes Ziel – aus Besucherinnen und Besuchern sollen Botschafter des Welterbes werden.